Evolution der Zellen – ein weiter Weg

Vor knapp 600 Millionen Jahren wurden Zellen sozial. Zum ersten Mal gaben einige von ihnen ihr Einzelgänger-Dasein auf und schlossen sich mit anderen zusammen. Ein gewagter Schritt, waren sie doch fortan auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen. Aber der Erfolg gab ihnen Recht: Heute arbeiten zum Beispiel 100 Billionen Zellen zusammen, um einen Menschen zu bilden.

Seitdem hat sich der Schritt vom Einzeller zum Vielzeller oft wiederholt. Noch heute gibt es Lebensformen wie den Schleimpilz Dictyostelium, die in einer Phase ihres Lebens als unabhängige Zellen existieren und sich in einer anderen spezialisieren, um eine Gemeinschaft zu bilden.

Qualle

Der Erfolg liegt in der Arbeitsteilung. So arbeiten über 200 verschiedene Zellarten zusammen, um den Organismus homo sapiens, also den Menschen zu bilden. Darunter gibt es Spezialisten wie die Nervenzellen mit ihren Hunderten feiner Arme, die Gedanken, Gefühle und Bewusstsein bilden. Oder die roten Blutkörperchen, die ohne eigenes Erbgut allein dem Transport des Sauerstoffs dienen. Und es gibt Generalisten, die Stammzellen, aus denen alle anderen Zellen hervor gehen können (Der Mensch aus der Zelle.

Noch immer ist es Wissenschaftlern ein Rätsel, wie überhaupt die erste Zelle entstehen konnte – quasi aus dem Nichts und in einer extrem unfreundlichen Umwelt. Einen ersten Hinweis gab 1953 der amerikanische Forscher Stanley L. Miller: Er wies nach, dass sich unter den Bedingungen vor etwa vier Milliarden Jahren auf der Erde wichtige organische Grundbausteine der Zelle aus anorganischen Vorstufen bilden konnten. Wie jedoch aus diesen sehr einfachen Molekülen nur 500 Millionen Jahre später die ersten Bakterien entstanden, ist heute Gegenstand heftiger Diskussionen (Leben in der Tiefsee.

Zwei Milliarden Jahre lang waren die Bakterien allein auf der Erde und veränderten ihre Umwelt. Folgenschwer war vor allem ein Abfallprodukt der Cyanobakterien, die es noch heute gibt: Sie produzierten Sauerstoff. Was für uns lebensnotwendig ist, stellt Zellen vor eine fast unlösbare Aufgabe, denn Sauerstoff ist ein Zellgift. Viele Bakterienarten sind damals ausgestorben; andere haben sich angepasst und Methoden entwickelt, um den Sauerstoff unschädlich zu machen; und wieder andere, vermutlich größere Zellen haben sich eben solche Sauerstoffentsorger einverleibt, damit sie in ihrem Inneren ihre nützliche Arbeit verrichten. Nach der „Endosymbionten-Theorie“ sind die Mitochondrien in heutigen eukaryontischen Zellen die Nachfahren dieser einverleibten Bakterienzellen.
Eukaryonten waren der nächste Schritt der Evolution. Sie sind viel komplizierter aufgebaut als Prokaryonten, also Bakterien. Vor allem ist ihr Inneres höchst strukturiert: Der Zellkern enthält das Erbgut, Mitochondrien veratmen Sauerstoff und liefern dabei Energie, kleine Vesikel transportieren Proteine, und in Pflanzenzellen verwandeln Chloroplasten das Sonnenlicht in Energie (Die Zelle von innen). Der Blick in unseren eigenen Körper zeigt, wie vielfältig die Formen und Aufgaben von Euraryontischen Zellen sein können – das hat die Evolution der Vielzeller erst möglich gemacht.

Doch trotz unserer Komplexität: Die Erde gehört noch immer den Bakterien, auch wenn sie fünfmal älter als die ersten Vielzeller sind. Bakterien gibt es überall: Im siedenden Wasser heißer Quellen, unter dem Eis der Pole, in der Tiefsee. Eigentlich scheint es sogar, dass wir selbst nur ein Vehikel für Bakterien sind. Sie bevölkern unsere Haut, unseren Darm, unsere Schleimhäute, und allein in unserem Mund leben mehr Bakterien, als unser Körper Zellen hat. Sie können uns helfen oder krank machen, können Partner oder Gegner sein – die Pioniere unter den Zellen sind uns hoch entwickelten Vielzellern überlegen. Aber wir hatten ja auch erst 600 Millionen Jahre Zeit.

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