Entwicklungsbiologie – Rauschfilter beim Embryo

Die so genannten Morphogene steuern die Entwicklung im Embryo. Entscheidend dafür ist ihre jeweilige Konzetration – eine Größe, die jedoch von der Temperatur und vielen anderen Einflüssen abhängt und zudem von Embryo zu Embryo variiert. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass sich dennoch fast alle Embryos normal entwickeln. Amerikanische Wissenschaftler haben dieses Phänomen jetzt bei der Fruchtfliege genauer untersucht. Dabei stießen sie auf einen molekularen „Rauschfilter“, der die Schwankungen ausgleicht.

Der Kopf einer Fruchtfliege im Elektronenmikroskop. Foto: J. Berger
Der Kopf einer Fruchtfliege im Elektronenmikroskop.Foto: J. Berger

Die Entwicklung der Fruchtfliege Drosophila melanogaster ist bis ins kleinste Detail erforscht. Inzwischen kennt man eine ganze Reihe so genannter Morphogene und weiß, wie sie die verschiedenen Achsen des Embryos festlegen. „Bicoid“ ist beispielsweise eines der ersten Proteine, die im Drosophila-Embryo aktiv werden. Dieses Morphogen ist ungleichmäßig über den Embryo verteilt: Hohe Konzentrationen zeigen das spätere Kopfende an, niedrige das Schwanzende. Wie Eric Wieschaus und Kollegen vom Howard Hughes Medical Institute in Princeton, USA im Wissenschaftsmagazin nature berichten, stellten sie fest, dass das vorhandene Konzentrationsgefälle in verschiedenen Embryos um bis zu 30% der Embryolänge schwanken kann (siehe Abbildung).

Obwohl die Bicoid-Verteilung im Embryo variiert, liegt die daraus resultierende Hunchback-Grenze stets an der gleichen Stelle.
Obwohl die Bicoid-Verteilung im Embryo variiert, liegt die daraus resultierende Hunchback-Grenze stets an der gleichen Stelle.

Die Konzentration von Bicoid steuert unter anderem, in welchem Teil des Embryos das Protein „Hunchback“ gebildet wird. Dadurch wird der Embryo zweigeteilt und für weitere Entwicklungsschritte vorbereitet. Erstaunlicherweise fanden die Forscher bei der Untersuchung der Hunchback-Konzentrationen Schwankungsbreiten von nur 1% der Embryolänge. Das entspricht etwa der Dicke eines Zellkerns. Es muss also eine Art Rauschfilter geben, der die Grenze zwischen vorne und hinten auf eine Zelle genau festgelegt, obwohl die entsprechenden Regionen zuvor durch Bicoid nur sehr ungenau bestimmt waren.

Bei Mutationsuntersuchungen testeten die Forscher große Teile des Genoms auf Moleküle, die dies vermitteln könnten. Alle üblichen Verdächtigen, die an der Entwicklung der Kopf-Schwanz-Achse beteiligt sind, schieden aus. Wurden ihre Gene ausgeschaltet, blieb die Hunchback-Präzision trotzdem erhalten. Anders bei „Staufen“ : Dieses Molekül stellte sich für die genaue Festlegung der Hunchback-Grenze als zwingend notwendig heraus.

Noch sind die Wissenschaftler unschlüssig, durch welchen Mechanismus Staufen als Rauschfilter wirken könnte. Auf jeden Fall legt Staufen in der frühen Eientwicklung den Grundstein für spätere Konzentrationsgradienten. Dazu verankert es die Bauanleitung für das Bicoid-Protein, die Bicoid-mRNA, am Kopfende der Eizelle, und zwar durch Fixierung am Zellskelett. Doch wie dies zur Korrektur der beobachteten Schwankungsbreite beitragen könnte, ist völlig offen. Drosophila hat scheinbar doch noch längst nicht alle ihrer Geheimnisse preisgegeben.

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