Dictyostelium discoideum – mal Pilz, mal Amöbe

Der zelluläre Schleimpilz Dictyostelium discoideum befindet sich an der Grenze zwischen einzelligen und vielzelligen Organismen: Bei Nahrungsknappheit bilden die einzelnen Amöben einen hochspezialisierten Verband, in dem sich viele Zellen opfern, um das Fortbestehen einiger weniger zu sichern.

Als einzellige Amöbe durchstreift er lockere Bodenschichten und ernährt sich von Bakterien (Bild 1). Wird diese Nahrung knapp, setzt er cAMP als chemisches Signal frei. Dadurch werden Artgenossen angelockt und bilden einen lockeren Zusammenschluss, ein so genanntes Zellaggregat (Bild 2). Der Signalstoff cAMP wird pulsweise von zentralen Zellen freigesetzt und bildet daher im Zellaggregat „La Ola“-ähnliche Wellen. Schließlich bildet sich ein wirbelförmiger Strom und das Aggregat wächst zu Größen von bis zu mehreren Millionen Zellen an (Bild 3).

Dictyostelium im Portrait
Dictyostelium im Portrait

Nun beginnt es sich wie ein einziger Organismus zu verhalten: Es bewegt sich wie eine winzige Made in Richtung Bodenoberfläche (Bild 4) und beginnt sich dort aufzurichten (Bild 5). An seiner Spitze bildet sich ein Fruchtkörper (Bild 6), der durch einen Stiel aus einer Bodenplatte emporwächst. Die in der Spitze enthaltenen Sporen können bei günstigen Umgebungsbedingungen wieder keimen und Amöben hervorbringen, während die Zellen in Stiel und Bodenplatte zugrunde gehen. Der gesamte Zyklus kann innerhalb von 24 Stunden durchlaufen werden.

Die besondere Lebensweise von Dictyostelium illustriert entwicklungsgeschichtlich einen sehr frühen Schritt hin zu mehrzelligen Lebewesen wie Pflanzen und Tieren. Ebenso wie Hefezellen lässt sich Dictyostelium problemlos vermehren, beobachten und genetisch verändern, zeigt aber darüber hinaus bereits fundamentale Eigenschaften mehrzelliger Organismen. Forscher schätzen den Schleimpilz deshalb als idealen Modellorganismus, um zielgerichtete Bewegung, Zellskelett und Kommunikation zwischen Zellen zu studieren.

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