Zellen bewegen sich oft über weite Strecken zielgerichtet auf chemische Signale zu. Doch woher wissen sie, in welche Richtung sie wandern müssen? Am Schleimpilz Dictyostelium konnten Wissenschaftler nun zeigen, dass an der Steuerung der Zellbewegung zwei Gene entscheidend beteiligt sind, die auch bei der Krebsentstehung eine Rolle spielen.
Ob Nervenzellen im Embryo oder weiße Blutzellen beim Erwachsenen: Zellen erkennen chemische Signale und können sich auf sie zu bewegen, ein Vorgang, der als Chemotaxis bezeichnet wird. Auf ähnliche Weise können sich auch Tumorzellen im Körper ausbreiten, indem sie beispielsweise auf Blutgefäße zu wandern. Eine Vielzahl chemischer Signale ist bekannt, bislang war allerdings unklar, welcher Mechanismus innerhalb der Zelle für die Steuerung sorgt.
Richard A. Firtel und Kollegen von der University of California in San Diego konnten nun klären, wie der Zellkompass im Detail arbeitet. Dazu studierten sie den Schleimpilz Dictyostelium discoideum, einen einfachen Modellorganismus, der bereits viele der Eigenschaften von weißen Blutzellen aufweist. Dabei zeigte sich, dass hauptsächlich zwei Gene an der Bewegungssteuerung beteiligt sind: Das eine Gen bildet das Enzym Phosphatidylinositol-3 Kinase (PI3K), das andere das Enzym Phosphatidylinositol-3 Phosphatase (PTEN), wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Cell schreiben.
Durch Markierung mit einem Fluoreszenzfarbstoff zeigte sich, dass sich PI3K an der Stelle der Zelle sammelt, die dem chemischen Signal am nächsten liegt. PTEN hingegen sammelt sich an der Seite und am anderen Ende der Zelle und trägt so dazu bei, die Richtung zu präzisieren, in die sich die Zelle also bewegen will. Dadurch entsteht in der Zelle eine Art Kompass, der die Ausrichtung des Zellskeletts beeinflusst. Nun kann sich die Zelle durch Ausbau von Aktin-Filamenten am Vorderende und entsprechende Abbauvorgänge am Hinterende zielgerichtet bewegen. Zeitrafferaufnahmen (siehe Videos) illustrieren diesen Vorgang: Aus der Pipettenspitze tritt cAMP aus, der Dictyostelium-Zellen anlockt.
Besonders interessant waren die Ergebnisse im Hinblick darauf, dass sowohl PI3K als auch PTEN an der Entstehung von Krebs beteiligt sein können: „PTEN reguliert PI3K und wenn es in Körperzellen verloren geht, entsteht Krebs“, sagt Firtel. „PTEN wirkt in normalen Zellen als Bremse für PI3K. Wenn PI3K übermäßig aktiv ist, führt das zu unkontrolliertem Zellwachstum und die Zelle entartet.“ Die Erkenntnisse könnten außerdem bei der Entwicklung von Medikamenten genutzt werden, die die Bewegung von weißen Blutzellen im Körper regulieren. Damit könnten rheumatische Krankheiten oder starke Entzündungen behandelt werden.