Die Anstrengungen um das Genom – sei es das von Hefe oder Mensch – waren erst der Anfang. Die eigentlichen Goldminen für Arzneimittelforschung oder Diagnostik liegen verborgen im Proteom, der Protein-Ausstattung der Zellen. Amerikanische Forscher charakterisierten jetzt erstmals ein komplettes Proteom: Sie bestimmten die Lokalisation aller Proteine der Hefe.
Hefezellen enthalten gut 6000 verschiedene Proteine – jetzt weiß man auch, wo. (Foto: Carsten Kettner)
Aus den gut 6000 Genen der Hefe Saccharomyces cerevisiae entstehen mindestens ebenso viele Proteine. Doch es ist um einiges aufwändiger und schwieriger, deren Funktion aufzuklären als die Sequenz des zugehörigen Gens. Für jedes Protein stellt sich die Frage: Welche Aufgabe hat es in der Zelle? Mit welchen anderen Proteinen arbeitet es zusammen? In welcher Phase des Lebenszyklus wird es gebildet? Und schließlich: Wo genau befindet es sich innerhalb der Zelle?
Zumindest letztere Frage konnten Wissenschaftler in einer groß angelegten Untersuchung jetzt für praktisch alle Proteine der Bäckerhefe beantworten. Michael Snyder und Kollegen von der Yale University in New Haven, USA, entwickelten eine leistungsfähige Methode, um einzelne Proteine zu markieren und anschließend ihre Verteilung innerhalb der Hefezellen zu studieren. Über 2.700 Proteine konnten die Forscher auf diese Weise charakterisieren, wie sie in der Fachzeitschrift Genes & Development berichten. Mit Hilfe von Computeranalysen und unter Einbeziehung bereits bekannter Daten dehnten sie ihre Erkenntnisse schließlich auf das gesamte Hefe-Proteom aus. Damit liegen zum ersten Mal Lokalisationsdaten zu allen Proteinen einer Zelle vor.
Während früher das Augenmerk vor allem auf der Erforschung einzelner Proteine lag, geht der Trend jetzt hin zu breiter angelegten Studien: Vor allem die Wechselwirkungen der Proteine untereinander sollen dadurch erkennbar werden.
Ein Netzwerk aus zehntausenden von Wechselwirkungen bestehen zwischen den verschiedenen Proteinen einer Zelle.
Giulio Superti-Furga und Kollegen vom Europäischen Molekularbiologischen Laboratorium (EMBL) und der Firma Cellzome in Heidelberg veröffentlichten dazu vor kurzem eine ausgedehnte Studie in der Zeitschrift Nature. In der Hefe dokumentierten sie mindestens 50.000 Interaktionen zwischen verschiedenen Proteinen. Dabei untersuchten sie nur knapp ein Viertel des gesamten Proteoms. Diese Zahlen zeigen bereits, welche ungeheuren Datenmengen bei Proteom-weiten Studien anfallen werden.
Um den Überblick nicht zu verlieren und die Daten sinnvoll nutzen zu können, arbeiten daher praktisch alle größeren Studien am Proteom mit Computerdatenbanken. Sowohl Snyder als auch Superti-Furga veröffentlichten ihre Ergebnisse in Datenbanken im Internet. Diese sind frei zugänglich und durchsuchbar, ähnlich wie die klassischen Protein-Datenbanken SGD, SWISS-PROT oder MIPS (siehe Kasten). Damit scheint sich bislang der Streit um das Humangenomprojekt nicht zu wiederholen. Damals hatte die Firma Celera ihre Sequenzdaten zunächst geheim gehalten, um patentrechtlich Vorteile daraus zu ziehen.