Influenzaviren sind besonders begabte Verwandlungskünstler: Von einer Generation zur nächsten verändern sie ihre Hülle oft so geschickt, dass das menschliche Immunsystem keine Chance mehr hat, die Eindringlinge rechtzeitig zu erkennen und zu bekämpfen. Immer wieder kommt es deshalb zu Grippeepidemien mit Millionen Todesopfern.
Dabei sind die winzigen Übeltäter – wie alle Viren – grundsätzlich tote Materie, unfähig sich selbst zu ernähren, zu wachsen oder sich fortzupflanzen. Für all dies brauchen sie Wirtszellen. Gelangen die Viren zum Beispiel über die Schleimhäute in den menschlichen Organismus, schleusen sie zunächst ihre Erbsubstanz in die Kerne menschlicher Zellen. Unfreiwillig fangen diese dann an, mit der eigenen Vermehrungsmaschinerie neue Viren zu produzieren. Influenzaviren verleiten ihre Wirte dabei zu ganz besonderer Kreativität: Gelingt es zwei Erregern mit unterschiedlicher Erbinformation eine Zelle gleichzeitig zu infizieren, können sie Teile ihres Genoms austauschen. Die Wirtszellen produzieren dann Influenzaviren, die dem Immunsystem völlig unbekannt sind – beste Voraussetzungen für eine Grippeepidemie.
Die Wirtszellen überleben die ihnen aufgezwungene Hilfeleistung meist nicht; sie zerplatzen und setzen die produzierten Viren frei, die sich dann erneut eine Wirtszelle suchen. Auf diese Weise steigt die Anzahl der Erreger explosionsartig. Wenn der Patient Glück hat, fühlt er sich jetzt lediglich leicht erkältet. Wenn er Pech hat, bekommt er hohes Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen oder sogar eine schwere Lungenentzündung. Als Komplikation kommen oft bakterielle Infektionen dazu, wie etwa Entzündungen des Herzmuskels oder des Gehirns. Die von Influenzaviren ausgelöste echte Grippe unterscheidet sich damit deutlich von einem grippalen Infekt, der weit weniger schlimm verläuft.
Impfstoffe gegen Influenza enthalten inaktivierte, das heißt nicht mehr vermehrungsfähige Viren. Das menschliche Immunsystem kann damit den Angriff der Viren vorab trainieren. Auf Grund der hohen Wandlungsfähigkeit des Erregers müssen Forscher allerdings für jede Grippesaison einen neuen Impfstoff entwickeln. Wer sich gegen eine Immunisierung entscheidet, sich aber trotzdem ansteckt, kann seit kurzem zu einem Medikament greifen, das nicht nur gegen die Symptome einer Grippe, sondern direkt gegen Influenzaviren wirkt. Der neue Wirkstoff hemmt die Vermehrung der Erreger in der Wirtszelle. Der Verlauf der Erkrankung wird dadurch allerdings lediglich gemildert – vorausgesetzt, der Patient nimmt das Medikament spätestens 48 Stunden nach dem ersten Kribbeln in der Nase.