Antikörper-Spezifität und Monoklonale Antikörper

Bakterien vom Mars

Denken Sie sich einen beliebigen Eindringling aus – Ihr Immunsystem scheint ihn schon zu kennen. Fangen Sie sich einen seltenen Erreger vom anderen Ende der Welt ein – Ihr Körper wird ihn wie einen alten Bekannten begrüßen. Und selbst wenn Ihnen morgen ein Komet mit Bakterien aus dem Weltall auf den Kopf fällt – kein Problem, Sie sind auf genau diese Bakterien vorbereitet.

Zahlreiche Neisserien, die Erreger der Gonorrhoe, auf Epithelzellen. Bild: MPG
Zahlreiche Neisserien, die Erreger der Gonorrhoe, auf Epithelzellen. Bild: MPG

Zwei Hypothesen versuchten vor etwa 50 Jahren, dieses erstaunliche Phänomen zu erklären. Die erste, vom zweifachen Nobelpreisträger Linus Pauling entwickelt, ist die nahe liegendere: Nach der Instruktionstheorie sollte die Oberfläche des Eindringlings als Matrize dienen und die Erkennungseinheiten des Immunsystems sich der Form der Matrize anpassen. Die so geformten Antikörper könnten das Gedächtnis des Immunsystems bilden, falls ein Eindringling noch einmal auftaucht – das wäre die Erklärung der Immunität.

Die Gegenhypothese einiger anderer Forscher, die so genannte Selektionstheorie, scheint auf den ersten Blick unglaublich: Von Geburt an hätten wir demnach bereits Antikörper gegen alle denkbaren Oberflächenstrukturen – ein neuer Eindringling bewirkt nur, dass mehr von den zu ihm passenden Antikörpern gebildet werden. Kommt ein ungebetener Besucher zum zweiten Mal, ist der Körper vorbereitet und das Prozedere der Antikörper-Produktion geht einfach schneller.

Ein einfaches Experiment brachte schließlich die überraschende Entscheidung. Wenn Antikörper tatsächlich nach der Vorlage einer Matrize geformt würden, so die Annahme, müssten sie ihre Fähigkeit, ein bestimmtes Ziel zu erkennen, verlieren, wenn man sie entfaltete und danach in Abwesenheit dieses Zieles zurückfaltete. Das Ergebnis war jedoch, dass ein spezifischer Antikörper auch dann sein Ziel erkennt, wenn man ihn ohne dieses Ziel neu faltet.

Die Spezifität eines Antikörpers ist also genetisch festgelegt. Diese Erkenntnis macht man sich bei der Herstellung monoklonaler Antikörper zu Nutze: Bei dieser Technik, 1975 von Georges Köhler und César Milstein entdeckt, verschmilzt man Antikörper-produzierende Plasmazellen mit Krebszellen. Dadurch erhält man Hybridzellen, die sich unbegrenzt teilen und einen bestimmten Antikörper produzieren – mit einer definierten Spezifität, im Gegensatz zu polyklonalen Antikörpern, die einem Gemisch von Plasmazellen entstammen. Monoklonale Antikörper haben in kürzester Zeit eine so große Bedeutung für Forschung und Medizin bekommen, dass Milstein und Köhler schon neun Jahre nach ihrer Entdeckung der Nobelpreis für Medizin verliehen wurde.

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