Gendiagnose – Wenn Milch krank macht

Nicht jedem liegt die Extraportion Milch. Wer unter Milchzucker-Unverträglichkeit leidet, und das ist hierzulande immerhin jeder Zehnte, der muss viele Nahrungsmittel meiden. Ein finnisch-amerikanisches Forscherteam hat jetzt die genaue genetische Ursache der Milchzucker-Unverträglichkeit aufgeklärt und damit die Grundlagen für einen einfachen Gentest geschaffen.

Erst mit der Rinderhaltung hat sich die Fähigkeit verbreitet, als Erwachsener Milchzucker zu verwerten.
Erst mit der Rinderhaltung hat sich die Fähigkeit verbreitet, als Erwachsener Milchzucker zu verwerten.

Hintergrund der Milchzucker-Unverträglichkeit ist ein Mangel an dem Enzym Laktase, das in der Darmwand gebildet wird und Milchzucker (Laktose) in seine beiden Bestandteile Glukose und Galaktose spaltet. Diese Bestandteile können von der Darmschleimhaut aufgenommen und weiterverarbeitet werden, Laktose selbst jedoch nicht. Fehlt das Enzym, gelangt ungespaltener Milchzucker in den Dickdarm, wo ihn Bakterien verarbeiten und bei größeren Mengen zu Übelkeit, Krämpfen, Blähungen und Durchfall führen.

Nach der Stillzeit lässt die Aktivität dieses Enzyms bei allen Menschen nach, in unseren Breiten bleibt die Restaktivität jedoch meist so weit erhalten, dass Milchprodukte verdaut werden können. Andere Völker, bespielsweise Asiaten, die traditionell wenig Milchprodukte verwenden, verlieren dagegen die Laktase-Aktivität praktisch ganz. Diese Variante ist der ursprüngliche Zustand: Auch unsere Vorfahren nahmen nach der Stillzeit keine Milch mehr zu sich und benötigten das Enzym für die Milchzuckerverdauung nicht mehr.

Erst mit der Einwanderung in immer nördlichere Gefilde mit geringerer Sonneneinstrahlung, geringerer Vitamin-D-Bildung in der Haut und entsprechend erhöhtem Kalzium-Bedarf wurde die Aufnahme von kalziumreicher Milch überlebensnotwendig. Menschen, deren Gene den Milchzuckerabbau auch im Erwachsenenalter erlaubten, hatten einen Selektionsvorteil. Folgerichtig hat sich die Fähigkeit zur Verdauung von Milchzucker nach Einschätzung der Forscher 10.000 bis 8.000 vor Christi verbreitet, zur gleichen Zeit, als unsere Vorfahren Milchwirtschaft zu betreiben begannen. Und dementsprechend können noch heute mehr Nordeuropäer als Südeuropäer Milchzucker verdauen.

Das Enzym Laktase spaltet die Laktose in ihre Bestandteile Glukose und Galaktose, welche durch die Darmwand aufgenommen werden können.
Das Enzym Laktase spaltet die Laktose in ihre Bestandteile Glukose und Galaktose, welche durch die Darmwand aufgenommen werden können.

Schon länger suchten Wissenschaftler die Ursache für die Milchzucker-Unverträglichkeit im Gen für das Enzym Laktase – allerdings vergeblich. Dem finnisch-amerikanischen Forscherteam gelang es nun, die verantwortliche DNA-Region genauer festzulegen. Sie verglichen dafür die Gene von neun finnischen Familien, in denen Fällen von Milchzucker-Unverträglichkeit belegt waren. Dabei zeigte sich, dass die Antwort in einem dem Laktase-Gen benachbarten Bereich von etwa 47.000 Basenpaaren liegen musste. Hier bestimmten sie für sieben Testpersonen sämtliche Unterschiede in der Gensequenz: Zwei Mutationen kristallisierten sich als mögliche Kandidaten heraus, wie sie in der Fachzeitschrift Nature Genetics berichten.

Diese untersuchten die Wissenschaftler nun bei einer größeren Zahl von Testpersonen und konnten zeigen, dass alle, die von Milchzucker-Unverträglichkeit betroffen waren, die gleiche Mutation aufwiesen. Damit war auch klar, dass es sich um eine entwicklungsgeschichtlich sehr alte Veränderung handeln musste: Sie war bei Menschen aus Finnland, Deutschland und Nordkorea, also verwandtschaftlich weit entfernten Völkern, identisch. Sollten weitere Untersuchungen die Ergebnisse bestätigen, könnten Betroffene künftig durch einen einfachen Gentest herausfinden, ob sie Milchprodukte und Lebensmittel mit Milchzucker meiden müssen. Bisher musste man dazu den Betroffenen unter anderem eine Darmprobe entnehmen.

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1 Antwort zu Gendiagnose – Wenn Milch krank macht

  1. Karin sagt:

    Ohne jemanden zu nahe treten zu wollen. Aber teilweise habe ich den Eindruck, das manche Krankheiten in „Mode“ kommen. Wenn ich mich nicht täusche, gab es vor 10 Jahren nur ganz wenige Menschen mit Laktose-Intolleranz. Ist doch merkwürdig, das die auf ein mal so aus dem Boden schießen…

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