Die Geschichte – Das Unmögliche möglich machen

Größenwahn – das war das Humangenomprojekt am Anfang für viele Wissenschaftler. Erstmals schlugen im Dezember 1984 amerikanische Wissenschaftler vor, alle drei Milliarden Bausteine des menschlichen Erbguts komplett zu entschlüsseln – eine für die damalige Technologie unlösbare Aufgabe. Doch das Projekt entwickelte sich: Von der fixen Idee Einzelner über ein mögliches nationales Großprojekt der USA hin zu einem Musterbeispiel erfolgreicher, weltumspannender Forschung.

Vollmundig hatten die Befürworter das Schlagwort vom „Apolloprogramm der Biologie“ geprägt – ein Slogan, der schließlich auch die US-Parlamentarier überzeugte. Drei Milliarden Dollar wurden zur Verfügung gestellt, auf fünfzehn Jahre verteilt vom Herbst 1990 bis zum Jahr 2005. Andere Länder schlossen sich an, vor allem Großbritannien und Frankreich. Freilich war damals nicht sicher absehbar, ob das wissenschaftliche Großprojekt Erfolg haben würde.

Das änderte sich am 7. Mai 1992: An diesem Tag wurde die komplette Sequenz des Chromosoms III der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae mit mehr als 315.000 Bausteinen veröffentlicht. Im Rückblick könnte man von einer erfolgreichen Machbarkeitsstudie sprechen: Nun war der Beweis erbracht, dass viele Forschergruppen gemeinsam ein derartiges Projekt bewältigen können. Nur von jedem achten Gen, das die Forscher damals fanden, war klar, welche Aufgabe es erfüllt. Und auch heute finden die Gensequenzierungs-Labors viel Unbekanntes. Was der beteiligte Wissenschaftler, Dr. John Sgouros, damals sagte, gilt deshalb noch heute:

„Es ist nicht überraschend, dass man soviel Unbekanntes findet, wenn man sozusagen mit dem Rasenmäher drübergeht und das gesamte Chromosom von A bis Z sequenziert. Das zeigt auch, wie begrenzt eigentlich unsere Kenntnis ist, auch wenn es sich dabei um einen so gut charakterisierten Organismus handelt wie die Hefe. Es ist durchaus möglich, dass viele dieser Gene irgendwelche anderen Funktionen haben, zum Beispiel regulatorische Aufgaben, die wir bis jetzt mit unseren Methoden nicht haben erfassen können.“

Deutschland beteiligte sich zunächst nicht am Humangenomprojekt, denn Anfang der neunziger Jahre bestanden noch massive Vorbehalte gegen die Gentechnik. Außerdem erinnerte man sich gerade hier zu Lande an die nationalsozialistische Eugenik und deren schreckliche Folgen – man fürchtete eine neue, genetische Diskriminierung. 1995 wurden schließlich doch 40 Millionen Mark jährlich bewilligt und das „Deutsche Humangenomprojekt“ ins Leben gerufen. Die deutschen Forscher übernahmen vor allem die Arbeit am Chromosom mit der Nummer 21, dem kleinsten, das in menschlichen Zellen vorkommt. Der deutsche Beitrag ist wegen des späten Einstiegs bis heute bescheiden geblieben.

Im Herbst 1996 wurde das „Ressourcenzentrum“ des Deutschen Humangenomprojekts mit Abteilungen in Heidelberg und Berlin eröffnet. Dieses Zentrum ist dafür zuständig, Genbanken in gleich bleibender Qualität zur Verfügung zu stellen. Bei der Entschlüsselung des Erbguts ist in Deutschland das Institut für Molekulare Biotechnologie in Jena federführend. Weitere wichtige Arbeitsgruppen bestehen bei der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung in Braunschweig, beim Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin und beim GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg bei München. Darüber hinaus sind gegenwärtig 38 Arbeitsgruppen am Deutschen Humangenomprojekt beteiligt.

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