Ein Atlas fürs Genom
Hat da nur der Mut gefehlt? Im Prinzip könnte man mit dem Verfahren, das Frederick Sanger in den Siebziger Jahren entwickelte, das gesamte Erbgut, das Genom eines Lebewesens entschlüsseln. Der Startschuss für das Humangenomprojekt hätte also viel früher fallen können – wenn unser Genom nicht so groß wäre.
Denn eine komplette Sequenzierung nach Sangers Methode würde bei den mehr als drei Milliarden Bausteinen des menschlichen Genoms viel zu lange dauern. Deshalb zerlegt man die Erbinformation in handliche Portionen, die einander überlappen. Hat man die Reihenfolge der Bausteine in jedem einzelnen Abschnitte gelesen, so kann man mit Hilfe von Computern nach übereinstimmenden Enden suchen und diese wie die Stücke eines Puzzles zusammensetzen.
Hilfreich ist dabei, dass es seit Mitte der neunziger Jahre Karten der menschlichen Chromosomen gibt, auf denen Orientierungspunkte verzeichnet sind. Diese Orientierungspunkte, Marker genannt, sind bekannte Gene – meist solche, die eng mit Erbkrankheiten verbunden sind. Wie bei der Erkundung eines unbekannten Landes wird also in diese Chromosomenkarten jeder Ort eingetragen, den ein Forscher gefunden und beschrieben hat. Diese Genorte dienen nun als Orientierung in den noch unbekannten Bereichen: Der enorme Fortschritt der Rechenleistung von Computern erlaubt es, überlappende Bereiche zweier beliebiger Fragmente zu finden – eine Voraussetzung für das so genannte Schrotschussverfahren, mit dem die Firma Celera Genomics dem Humangenomprojekt Konkurrenz gemacht hat.
Um für die Analyse des Erbguts ausreichend Material zu haben, vervielfältigt man es in Bakterien. Diese Einzeller teilen sich alle 20 Minuten ein Mal – über Nacht haben sich also einzelne Zellen milliardenfach vermehrt.
Es ist nicht schwierig, Stücke des menschlichen Erbguts in Bakterien einzuführen. Mit Hilfe bestimmter Transportvehikel, Vektoren genannt, schleust man Genabschnitte in eine Bakterienzelle ein und vermehrt diese anschließend zu Kolonien. Jede dieser Kolonien enthält nun ein Fragment des menschlichen Erbguts. In den Genlabors werden Bakterienkolonien auf die Vertiefungen in Plastikplatten, den Mikrotiterplatten verteilt. Diese so genannten Genbanken liegen eingefroren als Referenzmaterial vor, das weltweit an interessierte Labors verschickt wird.
Um für die Analyse des Erbguts ausreichend Material zu haben, vervielfältigt man es in Bakterien. Diese Einzeller teilen sich alle 20 Minuten ein Mal – über Nacht haben sich also einzelne Zellen milliardenfach vermehrt.