Aufsatz Prof. Joseph Straus – Wem gehört das Genom? – Teil 2

1. Wem gehört das Genom?

b) Der Träger und die Information

An einem Beispiel, das für weltweites Aufsehen gesorgt hatte, läßt sich die Problematik der strukturellen-informationellen Doppelnatur des Objekts der potentiellen Zuordnung veranschaulichen: In einem vom Kalifornischen Supreme Court entschiedenen Fall ging es um die Klage eines Leukämie kranken Patienten gegen die University of California. Ärzte einer Klinik dieser Universität entnahmen ihm mehrmals Milzgewebe, das überraschend hohe Mengen des Lymphokins Granulozytenmakrofagen Kolonien stimulierenden Faktors (GMCSF) produzierte. Sie klärten den Kläger weder darüber auf, dass die wiederholte Gewebsentnahme nicht mehr zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken, sondern zu Zwecken der Forschung und letztlich Entwicklung eines Medikaments erfolgte, noch darüber, dass aus den ihm entnommenen Zellen eine, hohe Mengen von GMCSF produzierende Zelllinie entwickelt, erfolgreich zum Patent angemeldet und mit Gewinn vermarktet werden konnte. Ohne Erfolg machte der Patient sowohl ein Eigentumsrecht an den aus seinem Gewebe stammenden Zellen, als auch Ansprüche auf das der University of California erteilte Patent geltend.

Das Gericht verneinte ein Eigentumsrecht an den entnommenen körperlichen Substanzen mit der Begründung, biologisches Material humanen Ursprungs sei ein Objekt sui generis und als solches dem “general law of personal property“ nicht zugänglich. Dem Kläger stünden aber Ansprüche wegen der Verletzung der Aufklärungspflichten seitens der Ärzte zu. Die geltend gemachten Ansprüche auf Beteiligung am Patent sah das Gericht deshalb als nicht gegeben an, weil die patentierte Zelllinie sowohl tatsächlich als auch rechtlich von der dem Patienten entnommenen zu unterscheiden sei. Nicht die Entdeckung einer natürlich vorkommenden Substanz werde patentiert, sondern die erfinderischen Bemühungen, die notwendig seien, um die schwierige Aufgabe zu lösen, z.B. humanes Gewebe und Zellen in Kulturen erfolgreich wachsen zu lassen. Gestützt auf Sachverständigenaussagen wies das Gericht auch noch darauf hin, dass für die Überproduktion von GMCSF in der Milz des Patienten nicht irgendwelche genetischen Besonderheiten sondern eine Virusinfektion ursächlich gewesen sei (5) .

Der Kalifornische Supreme Court hat also dem “Spender“ weder ein Eigentumsrecht an den von ihm stammenden Zellen, den Trägern der physischen Struktur der genetischen Information, zuerkannt, noch irgendwelche Ansprüche an der Information als solcher. Andererseits ließ das Gericht keine Zweifel darüber aufkommen, dass beim Vorliegen der Patentierungsvoraussetzungen, eine zeitlich begrenzte ausschließliche Nutzung zugunsten des Erfinders bzw. seiner Rechtsnachfolger in Form eines Patents sowohl an den aus den entnommenen Zellen entwickelten Zelllinien als auch an der darin enthaltenen genetischen Information zu bejahen ist. Auch wenn bisher keine anderen Gerichtsentscheidungen der gleichen Problematik bekannt geworden sind, ist es gut vorstellbar, dass Gerichte anderer Länder ähnlich entscheiden würden (6).

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