Eine Chemotherapie tötet Zellen, die sich teilen. Deshalb wird sie gegen Tumore eingesetzt, denn Krebszellen teilen sich unkontrolliert. Doch zugleich greift die Therapie auch normale teilungsfähige Körperzellen an, wie etwa in Haarwurzeln oder Darmschleimhaut – schwere Nebenwirkungen sind meist die Folge. Weit spezifischer könnten Viren wirken: Wenn es gelingt, sie so zu verändern, dass sie nur Tumorzellen befallen, könnten sie zielsicher töten. Forscher haben nun gezeigt, dass dies für bestimmte Tumorarten möglich ist.
Adenoviren (Yale University Center for Cell Imaging)
Ein häufiger Unterschied zwischen normalen Zellen und Krebszellen betrifft das Protein p53 . Dieses Protein dient im Zellzyklus als eine Art Notbremse, die eine ungehemmte Teilung und damit die Entstehung von Krebs verhindert. Bei mehr als der Hälfte der menschlichen Tumoren ist diese Notbremse defekt: Die Zellen enthalten Mutationen im Gen für p53, die dessen Funktion stören. Um diese Krebszellen gezielt anzugreifen, veränderten Murali Ramachandra und Kollegen von der Firma Canji in San Diego ein Virus so, dass es sich nur dann vermehren kann, wenn das p53 in der Zelle zerstört ist.
Die detaillierten Erkenntnisse, die man in den letzten Jahren sowohl über die Vermehrungsstrategien von Adenoviren als auch über die Steuerung des Zellzyklus gewonnen hatte, waren hier von besonderem Nutzen. Vor der Teilung muss eine Zelle ihr Erbgut verdoppeln, um die Kopien anschließend auf die beiden Tochterzellen verteilen zu können. Dazu wird unter anderem der Transkriptionsfaktor E2F aktiv, der dafür sorgt, dass die dafür notwendigen Proteine gebildet werden.
In normalen Zellen verhindert p53, dass E2F seine Wirkung entfalten kann. Die Zelle teilt sich also nicht. Ist das p53 jedoch durch eine Mutation gestört, kann sich die Zelle unkontrolliert teilen – und Krebs entsteht:
p53 verhindert, dass Zellen sich unkontrolliert vermehren
Um genau solche Zellen zu treffen, koppelten die Wissenschaftler nun die Vermehrung der Viren an die Anwesenheit von defektem p53. Die gentechnisch veränderten Viren bilden einen Hemmstoff gegen den Faktor E2F, allerdings nur in Zusammenarbeit mit p53. Weil das Virus E2F zu seiner Vermehrung braucht, werden in normalen Zellen keine neuen Viren gebildet. Ist p53 jedoch defekt, entsteht auch kein Hemmstoff. In Tumorzellen vermehrt sich das Virus deshalb ungehindert und tötet sie ab:
Veränderte Adenoviren zerstören nur Tumorzellen ohne p53
Dieser Ansatz erwies sich in Versuchen an Mäusen als Erfolg versprechend, wie die Wissenschaftler in der Zeitschrift Nature Biotechnology (Vol.19, S.1035) schreiben: Es zeigte sich, dass das Virus gezielt Tumorzellen befällt und weiteres Tumorwachstum hemmen kann. Damit könnte eine Behandlung mit diesen Viren bestehende Chemotherapien ergänzen. Ob die Therapie allerdings auch beim Menschen wirkt, muss noch bewiesen werden.